Obwohl Asatru und Shinto die beiden dominierenden religiösen Traditionen Irkaniens bilden, existieren daneben auch andere Glaubensrichtungen – oft im Verborgenen, selten anerkannt, aber nie ganz verschwunden. Christen, Juden, Muslime und andere Gruppen leben in kleinen Gemeinden, die von offizieller Seite meist als „historische Minderheiten“ oder „Kultgemeinschaften mit nicht-erfasstem Brauchstatus“ geführt werden. Das Religionsregister verlangt ihre formale Registrierung, verweigert ihnen jedoch institutionellen Schutz oder öffentliche Förderungen. Trotzdem behaupten sie sich – durch innere Stärke, familiäre Traditionen oder kreative Anpassung.
Christliche Gemeinden – vor allem mit katholischem oder orthodoxem Hintergrund – existieren in alten Einwanderervierteln von Frisa, Midgardia und Borealis. Ihre Kirchen sind selten auffällig, oft getarnt als Gemeinschaftshäuser, manchmal nur als Wohnungen mit einem Kreuz über dem Türrahmen. Liturgien finden im privaten Kreis statt, Taufen meist im Verborgenen. In ländlichen Regionen hat sich ein eigenwilliger Synkretismus entwickelt, der Heiligenkult mit Ahnenverehrung und Blót-Resten vermischt. Einige nennen diesen Glauben scherzhaft „Asa-Katholizismus“ – mit Maria als Freyja, Jesus als Tyr und dem Abendmahl als ritueller Sumbel.
Jüdische Gemeinden finden sich vor allem in städtischen Bildungszentren wie Genepohl, wo jüdische Familien einst als Ingenieure, Übersetzer oder Wissenschaftler rekrutiert wurden. Viele dieser Familien führen ihre Bräuche bis heute weiter – Chanukka-Lichter in Wohnheimküchen, Schabbatfeiern in Forschungslabors, hebräische Psalmen zwischen Shinto-Kalligraphien. Die staatliche Toleranz ist passiv: Wer sich nicht exponiert, wird meist in Ruhe gelassen. Es existiert kein staatlich anerkannter jüdischer Feiertag – doch das irkanische Bildungsministerium gestattet informell, dass manche Schüler an Jom Kippur zu Hause bleiben dürfen, „aus medizinischen Gründen“.
Der Islam existiert in Irkanien vor allem durch Flüchtlingsgenerationen aus Sarangeli, Eldeyja und vereinzelten Handelsnetzwerken mit Umanyano. Moscheen werden meist als „Gebetsräume für kulturelle Selbsthilfegruppen“ geführt, Minarette sind gesetzlich verboten. Viele Muslime praktizieren ihre Religion im Rahmen der staatlichen Auflagen, andere entwickeln Mischformen, die das Gebet in Richtung des Zentralkommandos oder symbolische Opfergaben an die Ahnen miteinbeziehen. In entlegenen Gegenden ist auch ein „Garnisonsislam“ entstanden, bei dem Soldaten den Koran in Blóts integrieren, Allah mit Heimdall gleichsetzen und die Pflicht zum Gebet mit Waffenappellen synchronisieren. Dies wird von klassischen Imamen strikt abgelehnt, findet aber in den Streitkräften stillschweigende Duldung.
Neben diesen Hauptströmungen gibt es auch kleinere, oft faszinierende Mischformen: In den Wäldern von Hallvard soll eine Sekte existieren, die Jesus als verschollenen Asen verehrt, gekreuzigt nicht durch Menschen, sondern durch Runenmagie. In Braadhafen zünden Kinder Kerzen auf Fenstersimsen an, weil ihre Großmutter das einst als „schwedisch“ erklärte – niemand weiß mehr, ob es christlich oder shintoistisch ist, aber es geschieht. In Tarwah wurde ein Schrein geweiht, in dem auf Arabisch, Altjapanisch und Runen dieselbe Bitte steht: „Bewahr uns vor dem Zorn der Götter, die wir nicht mehr kennen.“
Der Staat duldet diese Formen, solange sie sich nicht gegen die Grundstruktur der Republik richten. Die Grenze ist klar: Wer Loyalität zum Zentralkommando und zur aam’ne-Doktrin wahrt, darf glauben. Wer bekehrt, organisiert oder Einfluss beansprucht, wird registriert – und beobachtet. Die meisten dieser Gemeinschaften wissen das. Deshalb halten sie ihre Feste klein, ihre Symbole dezent, ihre Lieder leise.
Und doch leben sie. Mitten in Irkanien. Zwischen Haineingängen, Altbauten, Speicherchips und Altären. In der leisen Hoffnung, dass der Himmel groß genug ist für alle.