1. Die Ankunft – Die Legende der Sieben Schiffe

Es heißt, alles habe mit sieben Schiffen begonnen. Sie kamen über das offene Meer, getrieben von Sturm und Schweigen, aus Himmelsrichtungen, die heute längst andere Namen tragen. Die Reise war lang, die See unbarmherzig, und doch hielten sie Kurs – nicht aus Hoffnung, sondern weil es keinen Weg zurück mehr gab.

An Bord befanden sich Menschen, die nichts mehr zu verlieren hatten. Slawen, Steppenreiter, Handwerker, Gelehrte und Seher. Sie stammten aus untergegangenen Reichen, aus verbrannten Städten und vergessenen Pfaden. Was sie verband, war nicht Sprache oder Herkunft, sondern der Wunsch, irgendwo anzukommen – und dort zu bleiben.

Sie fanden eine Bucht mit klarem Wasser, mit Fisch in den Flüssen und dichtem Wald im Rücken. Dort schlugen sie ihre erste Siedlung auf. Die Häuser waren einfach, gebaut aus dem, was die Erde hergab: Torf, Stein und dem, was man Vertrauen nennen könnte, wenn man es nicht besser erklären kann.

Die ersten Feuer brannten in Tcharowa. Noch heute gilt dieser Ort als heilig. Nicht wegen seiner Größe, sondern weil dort etwas begann, das bis heute nicht geendet hat.

2. Das Erste Bündnis – Zwischen Hügeln und Versprechen

Mit den lokalen Stämmen entstand ein erstes Bündnis. Kein Vertrag, sondern ein Schwur, überliefert in mehreren Sprachen. Es war kein Staat, aber ein Raum, in dem gegenseitiger Respekt wichtiger war als Herkunft.

In den folgenden Jahrzehnten wuchs diese Gemeinschaft. Weitere Gruppen kamen; Händler, Flüchtlinge, Suchende. Die neuen Siedlungen gruppierten sich wie Sonnenstrahlen um das ursprüngliche Zentrum: Felder im Westen, Wälder im Norden, Handel im Süden und Verwaltung im Osten.

3. Der Osten erhebt sich – aus Handel wird Herrschaft

Die ersten Begegnungen zwischen den Ankömmlingen und den indigenen Völkern waren vorsichtig, aber nicht feindlich. Es entstand kein Vertrag, sondern ein Schwur – gesprochen am Feuer, weitergetragen in vielen Sprachen. Was sich formte, war kein Staat, kein Gebilde aus Grenzen und Gesetzen, sondern ein Raum des Miteinanders, in dem Herkunft weniger wog als Haltung.

Doch dieser Raum blieb nicht frei von Spannung. Mit der Zeit wuchs die Siedlung, neue Gruppen kamen, brachten Werkzeuge, Tiere, Sprache und Krankheiten. Der Boden wurde aufgeteilt, Wege wurden gezogen, Felder angelegt. Manche Stämme zogen sich zurück. Andere blieben, bis sie es nicht mehr konnten.

Es kam zu Vertreibungen. Nicht mit Feuer und Eisen, aber mit Druck und Dauer. Pfade wurden versperrt, Flüsse umgeleitet, Rechte vergessen. Der Schmerz dieser Zeit wirkt nach – auch wenn zwei souveräne indigene Staaten bis heute bestehen und eigene Wege gehen. Andere leben in Reservaten, die aus dem Versprechen der frühen Tage nur noch wenig tragen.

Die wachsende Gemeinschaft um das erste Zentrum nahm Form an. Im Westen entstanden Äcker, im Norden sägten Männer die ersten Balken aus Wald. Im Süden wuchs der Markt, im Osten das Wort. Aus Siedlung wurde Ordnung – doch nicht ohne Preis.

4. Die Konstitution – Aus Versammlung wird Republik

Mit den Jahren wurden es mehr Menschen, mehr Stimmen, mehr Fragen. Die alten Wege der Verständigung – Feuerzeichen, Boten, Rat am Brunnen – reichten nicht mehr aus. Was als lose Siedlungsstruktur begann, stieß an ihre Grenzen. Die Gemeinschaft brauchte Form, nicht Zwang, sondern Richtung.

Im 428. Jahr nach der Ankunft – nach heutiger Zeitrechnung das Jahr 1486 – einigte man sich auf ein gemeinsames Fundament. Es war kein Bruch, sondern ein Schritt. Ein Grundgesetz wurde beschlossen, das den Sofed ins Leben rief, den Rat der Regionen. Und das Wetsche, die Versammlung der freien Stimmen, wurde fest verankert. Aus dem Sprechen wuchs Struktur. Aus dem Hören wurde Ordnung.

Die indigenen Staaten blieben, was sie waren. Sie schlossen Verträge – freiwillig, selbstbewusst, auf Augenhöhe. Nicht als Untergebene, sondern als Nachbarn mit eigener Geschichte. Dieser Status wurde nie angetastet. Und gilt bis heute.

5. Die Föderation heute – gewachsen, nicht entworfen

Die heutige Hauptstadt Naugard liegt im Osten, an einem breiten Strom kurz vor seiner Mündung ins Meer. Ihre Lage ist kein Zufall. Hier kreuzen sich alte Handelsrouten mit neuen Wegen der Migration, hier treffen Boote aus dem Binnenland auf Schiffe von jenseits des Horizonts. Verwaltung, Wirtschaft und Austausch haben sich dort verankert – langsam, aber dauerhaft.

Naugard wurde nicht geplant, sondern gefunden. Es wuchs dorthin, wo die Ströme fließen, wo Menschen sich begegnen und bleiben. Das Zentrum der Republik ist nicht das älteste, aber das verbindendste.

Die ersten Siedlungen im Westen gelten noch immer als Herz des Landes. Sie stehen für den Anfang, für Herkunft und Erinnerung. Man nennt sie nicht Hauptstadt – das wäre zu technisch. Man nennt sie die Wiege.