Geschichte des Reiches - Teikoku no Rekishi (帝国の歴史)

6. Jh. v. Chr. – Die Welt der Ura

Bevor die späteren Reiche kamen, herrschten die Völker der Ura über das Land. Ihr Gebiet umfasste die flachen Becken von Kiyokata, Hinode und Takashiro – eine Landschaft aus Tonerde, sumpfigen Flusstälern und aufgeschütteten Terrassen. Das Klima war mild, die Sommer lang, und die großen Flüsse änderten häufig ihr Bett. Um sie zu bändigen, legten die Ura Kanäle an, befestigten Ufer mit Lehmziegeln und errichteten Speicherseen. Diese frühe Wasserwirtschaft sicherte reiche Ernten und machte Handel zwischen den Siedlungen möglich.

Die Ura waren kein Reich, sondern eine Vielzahl kleiner Städte, lose verbunden durch Feste, Heiraten und gemeinsame Rituale. Es gab keine Könige, wohl aber Priesterhäuser, die das Wissen über Kalender, Sternläufe und Erntezeiten bewahrten. Von ihnen ging auch die Ordnung des Jahres aus: Zwölf Mondmonate, jede Neumondnacht markiert durch ein Feuer auf den Tempelstufen. Der höchste Priester galt als „Zähler des Aschelichts“ – ein Amt, das später in den Hofkalender Toyos überführt werden sollte.

Ihre Bauweise war monumental, aber ohne Metall. Pyramidentempel aus gestampftem Lehm erhoben sich über den Flussebenen; an ihren Seiten hingen Reihen aus Schädeln der Verstorbenen, sorgfältig gereinigt und mit Goldstaub bestrichen. Gold selbst galt nicht als Besitz, sondern als göttlicher Stoff: zu weich für Werkzeug, zu rein für Handel. In manchen Gräbern fanden sich goldene Fäden, die den Mund der Toten verschlossen – Zeichen, dass sie nicht mehr sprechen sollten.

Die Ura bezeichneten sich als Kin’ama, die „Kinder des Bodens“. Ihre Religion kannte weder Himmel noch Unterwelt, sondern ein Kontinuum aus Verwandlung: Leben, Tod und Wiederkehr als Teil eines Kreislaufs. Ihre Götter, die Tlau, waren keine Personen, sondern Erscheinungen aus Licht und Asche – Manifestationen von Sturm, Dürre oder Fruchtbarkeit. Die Priester zeichneten ihre Bewegungen in den Himmel, und aus diesen Mustern entstand die erste Form der Schrift, in Linien und Kreisen eingeritzt auf getrocknete Lehmtafeln.

Politisch waren die Städte der Ura unabhängig, doch in Friedenszeiten schlossen sie Handelsbünde. Salz aus Hinode, Ton aus Takashiro, Fisch aus den Lagunen von Kiyokata bildeten den Austausch. Streit um Wasser und Felder kam häufig vor, doch statt Kriegen folgten die Städte einem Ritual der „Weißung“: Beide Seiten zerstörten ihre Grenzpfähle und erklärten das Land für eine Generation unbewohnbar. Erst ihre Nachkommen durften es neu bestellen.

Im Rückblick gilt diese Zeit als erste große Schicht der Ordnung. Der spätere Hof sah in den Ura nicht Barbaren, sondern die Träger einer älteren Form von Reinheit – grob, aber geschlossen. Ihre Städte zerfielen, als fremde Stämme vom Westen her kamen, doch ihre Muster blieben. Viele der heutigen Schreine stehen auf den Fundamenten dieser alten Plattformen, und in manchen Tälern findet man noch die Reste der Schädelterrassen – von Moos bedeckt, doch in der Form unverändert.

5. Jh. v. Chr. – Die Ankunft der Shintō

Vom Westen her erreichten seefahrende Stämme das Archipel. Sie kamen nicht als Eroberer, sondern als Reisende mit Metall, Segeltechnik und einer Sprache, die von Sonne, Reinheit und Richtung sprach. Ihre Boote waren aus Hartholz gezimmert, mit bronzenen Klingen und eingeritzten Zeichen versehen, die sie „Kana der Strahlen“ nannten. Wo sie landeten, legten sie Kreise aus Steinen an, öffneten die Erde und gaben der Sonne Reis und Salz.

Anfangs lebten sie in der Nähe der Ura, handelten Werkzeuge gegen Nahrungsmittel und bauten kleine Siedlungen an der Mündung der großen Flüsse. Doch ihr Verständnis von Heiligkeit unterschied sich grundlegend: Für sie war der Wald ein Ort der Reinigung, nicht der Verwesung; Feuer galt als göttlicher Übergang, nicht als Zerstörung. Als eine Dürre den Süden heimsuchte, begannen die Ura Holz für ihre Tempel zu schlagen, auch in jenen Hainen, die die Neuankömmlinge als heilig betrachteten. Die Brandrodungen, mit denen die Ura Felder erweiterten, wurden von den Shintō als Sakrileg empfunden – der erste Riss im Nebeneinander.

Aus vereinzelten Zusammenstößen wurden Vergeltungszüge. Die Shintō vereinten sich zu Klans, geführt von sogenannten Naori, den „Ordnern“, deren Autorität aus ritueller Reinheit abgeleitet war. Sie verbrannten die Stätten der Ura und errichteten an ihrer Stelle glatte, ungeziegelte Schreine – ein bewusster Gegensatz zu den massiven Lehmtempeln der Vergrabenen. Aus den einstigen Handelsplätzen wurden befestigte Posten mit Palisaden und geordneten Gassen.

In der Mitte des Jahrhunderts begann, was die späteren Chronisten die Kupferkriege nennen. Es waren keine Feldzüge im modernen Sinn, sondern eine Abfolge von Rachehandlungen, Bekehrungen und symbolischen Reinigungen. Ganze Dörfer der Ura wurden „entleert“, ihre Altäre abgetragen, ihre Priester unter Zwang getauft – nicht ins Wasser, sondern ins Feuer. Die Shintō erklärten, das Land müsse „von der Fäulnis befreit“ werden, damit die Sonne wieder aufgehen könne.

Innerhalb von zwei oder drei Generationen verschob sich das Machtgefüge. Die Ura zogen sich in die Täler von Kamunagi und Rantetsu zurück, wo sie in verstreuten Siedlungen überdauerten. In den Ebenen jedoch prägten nun die Shintō die Landschaft: Dörfer mit zentralem Hof, Wasserbecken zur rituellen Waschung und einfache Schmieden, in denen das erste Eisen Toyos entstand. Aus ihrer Sicht war das Land nun gereinigt – Reich der Klarheit nannten sie es, ein Land ohne Schatten.

Diese Bezeichnung blieb. Spätere Hofgelehrte sahen in ihr den Ursprung des toyoischen Selbstverständnisses: Ordnung nicht als Sieg, sondern als Reinigung. Die Schichten aus Asche, die man noch heute in den unteren Ebenen von Kiyokata findet, stammen aus dieser Zeit. Sie markieren das Ende der Ura und den Beginn der Linie, aus der das Reich hervorgehen sollte.

4. Jh. v. Chr. – Vertreibung und Weiterfahrt

Nach den Kupferkriegen lag das Land still. Die großen Tempel der Ura waren zerstört, ihre Wasserbecken versandet, und in den Ebenen von Hinode und Shirasaka hing Rauch über den Feldern. Nur in den westlichen Höhen von Kamunagi und Rantetsu hielten sich kleine Gemeinschaften, verborgen zwischen Nebelwäldern und alten Salzminen. Dort überdauerten die letzten Ura, abgeschnitten vom Handel, ohne Schrift, aber mit dem alten Wissen um Sternläufe und Pflanzenheilkunst. In späteren Zeiten nannte man sie „die Leisen unter den Steinen“.

Die neuen Herrscher bauten aus verstreuten Klans ein geordnetes Land. Felder wurden vermessen, Dörfer nach der Sonne ausgerichtet, die Flüsse mit Stein und Erde gezähmt. Die Himmelsrichtungen galten als Muster des Lebens: Ost für Geburt, Süd für Handlung, West für Erinnerung, Nord für Schweigen. Tempel und Verwaltungsstätten orientierten sich an diesen Achsen, und aus der Geometrie der Dörfer entstand die erste Vorstellung eines Reiches, das nicht nur aus Menschen, sondern aus Linien bestand.

Die religiösen Schulen, die das geistige Zentrum dieser Ordnung bildeten, begannen nun Aufzeichnungen über Regen, Ernte und Sternstellungen zu führen. Daraus entstand eine frühe, noch fragmentarische Form des Hofkalenders. Metall wurde alltäglich; aus Kupfer und Eisen entstanden Werkzeuge, Waffen und Spiegel. Die alten Schädelterrassen der Ura wurden umgewidmet – nicht mehr Orte des Totenkults, sondern Speicher und Altäre, Zeichen der Überführung des Alten ins Neue.

Doch nicht alle nahmen die neue Ordnung an. Einige Familien, die dem Kult der Asche anhingen, sahen im Licht der Sonne ein unheiliges Feuer. Sie verweigerten den Dienst, lösten ihre Linien aus dem Verband und bereiteten Boote an der Westküste vor. Später wird berichtet, sie hätten dem Lauf bestimmter Sterne gefolgt, den Ura-Routen über das Meer.

Im Herbst des Jahres 439 v. Chr. erreichten sie die Halbinsel Jadaria. Sie nannten sie Irukanien, „Ort der Zurückgekehrten“. Der Tag ihrer Landung, der 1. Metmond, wurde zum Beginn ihrer eigenen Zeitrechnung erklärt – dem Jahr 0 ii.

In Tōyō erinnert man sich an sie als die Abgewandten des Westlichts: jene, die die Ordnung verließen, weil sie in ihr kein Maß fanden. Für den Hof galten sie als getäuscht, für Chronisten späterer Jahrhunderte als Spiegel. Ihr Fortgang markiert den Augenblick, in dem die Geschichte des Ostens und des Westens sich trennt – eine Bewegung, die nie wieder rückgängig gemacht wurde.

3. Jh. v. Chr. – Das Zeitalter der Reinigung

Im Land der ehemaligen Ura entstanden neue Strukturen. Die Kriege hatten Felder und Städte verbrannt, doch aus den Ruinen wuchsen Schreine, Speicher und befestigte Dörfer. Die Shintō-Klans ließen ihre Heiligtümer bewusst auf den Fundamenten der alten Tempel errichten, als Zeichen, dass das Frühere nicht ausgelöscht, sondern verwandelt worden war. In den Aufzeichnungen dieser Zeit finden sich erstmals die Namen Amateru und Tenshō – Licht und Maß –, die später zu tragenden Säulen der Reichsidee wurden.

Aus der Asche der Ura-Altäre formten die neuen Priester flache Steine, bestrichen sie mit Lehm und stellten sie in offenen Höfen auf. Dort wurden sie bei Sonnenaufgang mit Wasser übergossen, um das „Verblasste“ zu reinigen. Dieses einfache Ritual, wiederholt an jedem Monatsbeginn, gilt als Ursprung des Ritus der Klärung (sei-jō), der bis heute Bestandteil jeder religiösen Handlung im Reich ist.

Die Gesellschaft ordnete sich in vier Schichten, eine Einteilung, die bald zur Grundlage aller späteren Rangsysteme wurde. An der Spitze standen die Priesterlinien, die Naori, Bewahrer der Reinheit und der Kalender. Unter ihnen standen die Kriegerhäuser, Hüter der Wege, Wächter der Schreine und Durchsetzer der Beschlüsse. Darunter lebten die Bauern, die die Erde bearbeiteten, als Teil des göttlichen Zyklus von Arbeit und Opfer. Ganz unten standen die Schatten – jene ohne Linie, Besitz oder Stimme. Sie bestatteten die Toten, reinigten Wassergräben, fertigten Werkzeuge und trugen Lasten, die als unrein galten. Niemand nannte sie Feinde; sie waren notwendig, aber nicht sichtbar. Das Wort kage bedeutete in dieser Zeit „jene, die unter dem Licht stehen, aber nicht darin gehen“.

Herrschaft lag in den Händen der Priesterhäuser. Die mächtigsten unter ihnen, vor allem in Shirasaka und Hinode, bildeten den Kreis des Ostlichts, einen lockeren Rat zur Abstimmung von Riten und Kalendern. Der Kreis hatte keinen Vorsitzenden, aber eine Sprecherin aus dem Haus Tenshō, die in den Annalen als Erste des Morgens erwähnt wird. Sie gilt in späterer Überlieferung als Vorfahrin des Ersten Hofes, obwohl ihr Amt keine weltliche Macht besaß.

Unterhalb dieser Zentren entstanden Kriegerhäuser, die den Tempeln unterstanden und Schutz gewährten. Ihre Anführer trugen rituelle Titel wie Hoshida – „der Sternenträger“ – oder Amekura – „der Wolkenhalter“. Sie verwalteten Land, sammelten Abgaben in Reis und Metall und unterhielten kleine Truppen, doch jede Entscheidung bedurfte der Zustimmung eines Priesters. So entstand eine doppelte Ordnung: geistige Autorität im Osten, bewaffnete im Süden.

Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Vorschriften über Reinheit und Rang. Wasser wurde zu einem religiösen Mittel, nicht zu Besitz; Blut galt als Gefahr, Erde als Grenze. Wer mit dem Tod arbeitete – Totengräber, Schlachter, Henker – wurde als notwendig, aber unrein betrachtet. Die Trennung von Licht und Dunkelheit wurde nicht nur Glaubenssatz, sondern Alltagsregel.

Kultur dieser Epoche war geprägt von Erinnerung und Schuld. Viele Feste dienten nicht dem Feiern, sondern dem Wiedergutmachen: dem Reinigen von Orten, an denen Feuer gewütet hatte, dem Verbrennen alter Schriftrollen, dem Niederknien an Flussläufen. Die Menschen sahen in der Ordnung keinen Fortschritt, sondern Schutz – Schutz vor dem, was sie selbst entfesselt hatten.

So begann das, was später als erste Form des Reiches gelten sollte: eine Gesellschaft, die sich nicht durch Macht, sondern durch Reinigung definierte. Alles, was folgte – Verwaltung, Hierarchie, Zeremonie – wuchs aus diesem Boden der Angst vor der Rückkehr der Dunkelheit.

2. Jh. v. Chr. – Die Reichsbildung

Mit dem Ende der Reinigungszeit begannen sich die Machtzentren zu verlagern. Die Küsten wurden zu den neuen Knotenpunkten des Lebens. In Tsukikawa entstanden Hafenanlagen und Lagerhäuser; von dort aus liefen die ersten geordneten Handelsrouten zu den Inseln des Südens. Shirasaka, seit Generationen Ort der Priesterlinien, entwickelte sich zum geistigen Mittelpunkt des Landes, während im Osten Hinode mit seinen fruchtbaren Ebenen zur Kornkammer und zum Versorgungszentrum wurde. Der Westen – Kamunagi und Rantetsu – wurde nach Jahrzehnten der Unruhe befriedet und dem Einfluss der Tempel unterstellt.

In dieser Zeit nahm die Herrschaft eine neue Gestalt an. Die führenden Linien der Priesterschaft gaben sich feste Rangfolgen und erklärten ihre Abstammung von der Sonne. Aus den Naori wurden Shintō-Fürsten, und mit ihnen begann das Prinzip der vererbten Reinheit: die Vorstellung, dass göttliche Nähe im Blut fortbesteht. Jede Linie beanspruchte ein Zeichen der Herkunft – einen Stern, einen Vogel, ein Blatt –, Symbole, die später zu Familienwappen wurden.

Mit der wachsenden Ordnung entstanden die ersten festen Verwaltungseinheiten. Das Land wurde in Provinzen (ryō) gegliedert, jede mit einem Heiligtum (jinja) im Zentrum. Die Priesterhäuser entsandten Verwalter, die den Kalender, die Abgaben und die Riten überwachten. Daraus entwickelte sich ein einfaches, aber verbindliches System aus geistlicher und materieller Kontrolle: der Keim einer Bürokratie, die noch Jahrhunderte bestehen sollte.

Zwischen den Küsten und Tälern wuchsen befestigte Straßen, die sogenannten Pfadlinien des Lichts, gesäumt von Wasserstellen und kleinen Schreinen. Sie verbanden Handel, Pilger und Boten und gaben dem Land zum ersten Mal ein geschlossenes Gefüge. Nachrichten reisten in Form kleiner Holztafeln, die mit Schriftzeichen versehen und von Station zu Station weitergereicht wurden – der Ursprung des späteren Botenwesens des Reiches.

Von den Ura blieb in dieser Zeit nur Erinnerung. Ihre letzten Siedlungen wurden aufgegeben oder in die neuen Bezirke eingegliedert; ihre Sprache verschwand, ihre Götternamen überlebten nur noch als Ornamente an den Dachsparren der Schreine. Die Menschen sahen darin keine Spur von Besiegten, sondern ein altes Echo – Muster, die man ehrte, ohne sie zu benennen.

Am Ende des Jahrhunderts galt das Land als geeint, wenn auch ohne Hauptstadt. Shirasaka führte den Kalender, Tsukikawa den Handel, Hinode die Ernte, Kamunagi das Schweigen. Aus dieser stillen Verteilung von Aufgaben entstand das, was die späteren Chronisten den Ersten Kreis des Reiches nannten – eine Ordnung ohne Zentrum, aber mit Richtung: dem Blick nach Osten, wo die Sonne aufgeht.

1. Jh. v. Chr. – Der Erste Hof

Nach Jahrhunderten zerstreuter Herrschaft begann sich die Macht in den Händen weniger Linien zu verdichten. Die wohlhabenden Küstenstädte von Tsukikawa und Hinode wuchsen zu Zentren von Handel und Verwaltung, während im Binnenland Mihara als Sammelpunkt von Abgaben und Truppen entstand. Zwischen diesen Städten formte sich ein Dreieck von Einfluss, das die alten Tempelhäuser zunehmend in Abhängigkeit brachte.

Die führenden Familien nannten sich Hüter der Sonne, doch sie verstanden sich längst als Erben, nicht als Diener der Götter. Ihre Führer – Fürsten und Priester in einer Person – betrieben Handel, schlossen Bündnisse und führten Kriege um Salz, Metall und Wege. Die alte Idee der Reinheit wurde zum Mittel der Herrschaft: Wer sich der Ordnung entzog, galt nicht mehr als unrein, sondern als Feind.

In dieser Situation einigten sich die mächtigsten Häuser auf einen Ausgleich. Auf einem Hügel südlich von Tsukikawa wurde ein fester Hof errichtet – Akanomiya, die „Rote Halle“. Dort sollte ein einzelner Sprecher die Riten koordinieren und zwischen den Linien vermitteln. Doch die Wahl dieses Sprechers, des Ōkimi, war weniger religiös als politisch: Sie fiel auf jenen, der am meisten Gefolgschaft sichern konnte.

Der erste bekannte Ōkimi entstammte der Linie Amateru, einem Geschlecht, das den Sonnennamen für sich beanspruchte und durch Heiraten und Tributzahlungen eine ungewöhnlich breite Machtbasis besaß. Seine Stellung war nicht erblich, doch er hinterließ Nachfolger aus demselben Haus – und damit den Beginn einer stillen, aber dauerhaften Dynastie. Unter seiner Leitung entstand der Rat der Fünf Linien, bestehend aus Verbündeten, Rivalen und Kontrolleuren zugleich. Gemeinsam regelten sie die Verteilung von Land, Abgaben und Wasserrechten, überwachten den Bau von Straßen und bestimmten, welche Schreine staatliche Unterstützung erhielten.

Aus dieser Machtbalance wuchs der erste Anspruch auf zentrale Ordnung. Truppen der Kriegerhäuser sicherten Handelswege, während Priesterbeamte in den Städten Listen führten und Steuern sammelten. Akanomiya wurde zum Ort, an dem nicht nur Rituale, sondern Entscheidungen getroffen wurden – und wo sich Macht erstmals in Verwaltung verwandelte.

Doch nicht alle fügten sich. In den Randgebieten hielten sich noch Anhänger der alten Religion, die von Gleichgewicht statt Reinheit sprachen. Ihr letzter bekannter Schamane wurde in Shirotani gefangen genommen und öffentlich geopfert. Seine Schädelmaske, aus Salz und Goldstaub gefertigt, wurde als Zeichen der Befriedung in einem Tempel bei Hinode aufgehängt. Damit endete die alte Glaubenswelt, und die neue Macht hatte ihr Symbol.

Am Ende des Jahrhunderts war das Land keine Gemeinschaft mehr, sondern ein Reich im Entstehen. Hinter den rituellen Formeln stand nun ein Wille: Ordnung nicht durch Reinheit, sondern durch Kontrolle. Aus den Linien der Sonne wurde Regierung – und aus Glauben Herrschaft.